Ein Strafverteidiger
bringt seinen kleinen Sohn zu Bett. Der Kleine hat im Laufe des Tages
aus Gesprächen zwischen Erwachsenen mitbekommen, daß ein
Mandant seines Vaters hingerichtet werden soll.
Der Sohn fragt also den Vater: "Warum soll der Mann sterben?"
Der Vater antwortet: "Er soll sterben, weil er einen anderen Menschen
getötet hat!"
Der Sohn fragt weiter: "Muß jeder sterben, der einen Menschen
getötet hat?"
Der Vater bestätigt: "Ja, so will es das Gesetz: Wer tötet,
der muß sterben!"
Der Sohn überlegt eine Weile und entgegnet dann: "Wenn der
Staat diesen Mann tötet, wer tötet dann den Staat?"
Diese Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit.
Der im Grunde genommen simple Gedankengang des kleinen Jungen macht
das paradoxe Handeln eines Staates deutlich sichtbar, der einerseits
der Bevölkerung verdeutlichen will, daß Töten das schlimmste
Verbrechen überhaupt darstellt und solchen Verbrechen unbedingt
vorgebeugt werden muß. Andererseits bedient sich der Staat aber
selber genau des Mittels, welches er unter Strafe stellt: Nämlich
des Mittels des Tötens. Es stellt einen Widerspruch in sich dar,
wenn der Staat seinen Bürgern das Töten strengstens untersagt,
im Gegenzug jedoch Personen, welche gegen diese Norm verstoßen
haben, tötet. Ein Staat, der seinen Bürgern verdeutlichen
will, daß Töten Unrecht ist und sich dann selber zum Töten
hinreißen läßt, macht sich unglaubwürdig und handelt
auch insofern inkonsequent.
Ein Staat, der das Töten für Unrecht hält, darf sich
also selbst nicht dieses Mittels bedienen.
Und darüber sollten wir nachdenken...
Wir hier in der Bundesrepublik Deutschland haben das große
Glück, daß unsere Verfassung die Todesstrafe ausnahmslos
verbietet. Die deutsche Verfassung macht in vorbildlicher Weise deutlich,
daß niemand einen anderen Menschen töten darf - auch nicht
der Staat. In der Bundesrepublik Deutschland hält man sich daran
und verurteilt Schwerstverbrecher zu Haftstrafen - auch zu lebenslänglichen
Haftstrafen.
... Gefunden als Aufschrieb in meinem Palm, Quelle laut eines Besuchers
ist das Buch "Dead Man Walking", Seite 99 unten ...
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